Digital Health-Nutzung in Deutschland: Globale Big Tech- und Plattform-Anbieter bauen weiter Vorreiterrolle aus

[Berlin, 27. Feb. 2024] Die Nutzung von Digital Health-Lösungen in der Bevölkerung schwankt weiterhin unklar in einem fragmentierten Markt. Dennoch zeichnen sich klare Trends ab: Globale Anbieter von Plattformen, Tracking-Lösungen und Consumer Technology gewinnen jährlich einen größeren Anteil am Markt. Laut den neuesten Ergebnissen des EPatient Survey 2024, der umfangreichsten Befragung zur digitalen Gesundheit mit über 6.000 Teilnehmern in Deutschland, werden Plattformen und Lösungen von Big-Tech- und Social-Media-Konzernen zunehmend für das Konsumieren, Informieren und Tracken von Vitaldaten bevorzugt. Abgesehen vom E-Rezept, stagnieren oder verlieren gleichzeitig nationale E-Health-Lösungen an Marktanteil.

Besonders bemerkenswert ist das solide Wachstum von Tracking-Apps zur Messung von alltäglichen und medizinisch relevanten Vitalwerten. Führende Anbieter in diesem Segment sind Samsung, Apple und Google (mit fitbit). Dies bestätigt den globalen Trend der digitalen Transformation im Fokus Daten und Devices, der auch in Deutschland spürbar ist.

Unter den Smartphone-Nutzern in Deutschland (85% der Bevölkerung) stieg das digitale Trackingverhalten von 18% im Jahr 2021 auf 23% im Jahr 2023. Acht von zehn Nutzern setzen dabei auf Lösungen von internationalen Big-Tech- oder Consumer-Electronics-Anbietern, was bedeutet, dass die Vitalendaten von rund 12 Millionen Deutschen auf Servern in den USA und Südkorea gespeichert sind.

Erstmals wurde ungestützt nach der am häufigsten verwendeten app- oder web-basierten Gesundheitsanwendung gefragt. Auf Basis von 2739 Nennungen, führen dabei globale Big-Tech- und Social-Media-Plattformen wie Google, YouTube, Apple Health, Samsung, Instagram, Facebook und TikTok mit 45% der Nennungen. Auf Platz 2 befinden sich die Gesundheitsportale deutscher Medienhäuser (24%), gefolgt von Apps und Webseiten von Krankenkassen (14%) sowie Apotheken (11%).

Besonders in der Zielgruppe unter 39 Jahren sind Big-Tech-/Social-Media-Anbieter und -Plattformen 2,5-mal stärker verbreitet als in der Zielgruppe über 60 Jahre (57% vs. 23%). Ähnlich verhält es sich mit Apps und digitalen Anwendungen von Apotheken, die von Personen unter 39 Jahren doppelt so häufig genutzt werden wie von Personen über 60 Jahren (12% vs. 6%).

Konkrete Digital Health-Anwendungen wie strukturierte Gesundheitskurse verzeichnen nach einem starken Rückgang nach dem Lockdown eine Stagnation, während die Online-Videosprechstunde leicht von 17% auf 14% zurückgeht. Die Online-Psychotherapie brach weniger stark ein (von 12% auf 11%) und wurde von knapp jedem zweiten Anwender sogar im letzten Monat zuletzt verwendet.

Vier von zehn deutschen Onlinern (90% der Bevölkerung) nutzen zumindest gelegentlich eine App ihrer Krankenkasse oder Krankenversicherung, wobei jüngere Altersgruppen dies häufiger tun als ältere.

Es gibt auch deutliche Bewegungen im Bereich digitaler Versorgungsszenarien, wie beispielsweise im Vertrieb von Patienten-Apps über Arztpraxen. Der Anteil der Personen, die eine App von ihrer Arztpraxis erhalten haben, stieg innerhalb von zwei Jahren von 6% auf 12%. Analysiert man dieses Subsegment genauer wird deutlich: Es handelt es sich dabei eher weniger um digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach dem Digitale Versorgung Gesetz sondern mehrheitlich um Apps für das verordnete Medizingerät (bspw. für Blutdruck, Blutzucker u. Ä.) oder Apps im Kontext Medikamenteneinnahme.

Fazit

Die vermehrte Nutzung von Big-Tech- und Social-Media-Plattformen für Gesundheitsthemen, insbesondere durch jüngere Bevölkerungsschichten, birgt Herausforderungen für eine nachhaltige und national steuerbare Gesundheitskompetenz sowie für datenbasierte Prävention und Therapie. Insbesondere führende Social-Media-Plattformen entwickeln sich derzeit zu einem politik- und sachfreien Raum, in dem infotainment-ähnliche Kurzvideos verschiedener Absender neben tendenziell eher extremen Agenda Setting-Akteuren zunehmend dominieren (siehe exemplarisch in: The Economist: The end of the social network. Ausg.: Feb. 2024).

Prof. Dr. Klaus Hurrelmann von der Hertie School in Berlin kommentiert: „Der EPatient Survey zeigt besorgniserregende Ergebnisse: Durch die Verzögerung der digitalen Transformation im deutschen Gesundheitssystem setzen sich internationale Internetkonzerne mit ihrem werbe- und datengetriebenen Angebot immer weiter durch, was die Qualität der Kommunikation über Gesundheit und Krankheit massiv beeinträchtigt.“

Dr. Alexander Schachinger, Leiter der Studie EPatient Survey, fasst zusammen: „Bislang bleibt einer der deutlichsten globalen und nationalen Digital Health-Innovationspfade, der auf datenbasierter Prävention sowohl für individuelle als auch kollektive Ansätze basiert, den globalen Big-Tech-Playern vorbehalten.“

Methodik

Der EPatient Survey rekrutiert seit 2010 jährlich im Schnitt 6.000 Teilnehmer aus dem führenden Kantar-Konsumentenpanel in Deutschland. Die Rekrutierungsquote entspricht dabei der Sozial-, Bildungs- und Regionalstruktur der deutschen Online-Bevölkerung (90%).

Über das Unternehmen

Die EPatient Analytics GmbH ist ein Analytik- und Beratungsunternehmen mit Fokus auf dem digitalen Gesundheitsmarkt. Kunden und Partner sind Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft, Forschungsinstitute, Ministerien und Verbände.

Kontakt für Medien und Interessenten

Tel.: +49 30 8057 996 68   

kontakt@epatient-analytics.com 

Website: www.epatient-analytics.com 

Interview zur neuen EPatient Analytics Plattform: Insights auf Abruf

Vor kurzem gelauncht, bietet die neue Plattform von EPatient Analytics eine Reihe von spannenden Reports mit Einblicken in das Nutzungsverhalten von Menschen in Deutschland bei digitalen Gesundheitsthemen und -lösungen. Im Gespräch mit Ihno Fokken von der Friesischen Freiheit stellt Dr. Alexander Schachinger von EPatient Analytics die verschiedenen Reports und Analysemöglichkeiten ihres Daten-Hubs vor.


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E-Health: Die Bevölkerung ist weiter als die Politik. Studie warnt vor dem Ausverkauf der Vitaldaten der Deutschen an internationale Konzerne

[Berlin, 08.12.2022] Die Bevölkerung in Deutschland hat keine Berührungsängste mit der digitalen Medizin mehr. Während der Corona-Pandemie hat es einen regelrechten Boom bei der Nutzung von Gesundheits-Apps und Online-Arztsprechstunden gegeben. Im Jahr 2021 wurde die Corona-Warn-App innerhalb weniger Wochen von fast 50 Prozent der Bevölkerung heruntergeladen – eine Entwicklung mit einem Tempo, wie es sie nie zuvor im Gesundheitsbereich gegeben hat. Als in der Pandemie die Fitnessstudios geschlossen waren, nutzte knapp jede dritte Person einen Online-Gesundheitskurs. Jeder Zweite misst seitdem seine Gesundheit mit Smartphone, App oder Smartwatch. Schon 17 Prozent organisieren ihre Medikamenteneinnahme mit dem Handy. Auch nach dem Abklingen der Pandemie halten diese Trends fast unvermindert an.

Das sind die Ergebnisse der aktuellen repräsentativen Studie EPatient Survey, die seit 2010 durchgeführt wird. Es handelt sich dabei um die bei weitem größte Bevölkerungsbefragung zur digitalen Gesundheit von 6.000 Menschen in Deutschland, die periodisch einmal jährlich durchgeführt wird.

„Die Bevölkerung in Deutschland“, so Dr. Alexander Schachinger, Leiter der Befragung, „ist bei der digitalen Nutzung von Gesundheitsangeboten weiter als die staatliche Gesundheitspolitik. Deutschland hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern dringenden Nachholbedarf. Es ist bisher nicht gelungen, eine nationale Strategie zu entwickeln, die sich zum Beispiel an den Erfahrungen von Großbritannien oder Dänemark orientiert.“ Schachinger weist darauf hin, dass der E-Health-Markt in Deutschland in hunderte Einzellösungen zersplittert ist, die nicht zentral vernetzt sind und deshalb für die medizinische Forschung nicht nutzbar sind. Sein Fazit: „Das immer wieder verschleppte Einführen einer einheitlichen IT-Infrastruktur für eine elektronische Patientenakte führt zu einem völlig fragmentierten Marktgeschehen.“


Auch der wissenschaftliche Begleiter der Studie, Professor Klaus Hurrelmann von der Hertie
School Berlin, zieht kritische Bilanz: „Die deutsche Bevölkerung ist bereit für E-Health, aber
die Politik liefert nicht. Wenn das so weitergeht, zeichnet sich der Ausverkauf der
gesundheitlichen Vitaldaten der Bevölkerung in Deutschland ins Ausland ab. Schon heute
wird der Einfluss vor allem der amerikanischen Internetkonzerne wie Google und Amazon
immer stärker, weil sie sich über ihre Angebote Zugriff auf die Vitaldaten verschaffen und
sich zusätzlich in Einrichtungen der medizinischen Versorgung und der
Gesundheitsversicherung einkaufen.“

Weitere wichtige Ergebnisse der Studie
Die Trendanalysen des EPatient Survey zeigen auf:

  • dass der digitale Impfpass innerhalb weniger Monate von 0% auf 50% Verbreitung fand,
  • dass die Online-Arztsprechstunde ebenfalls von 0% auf 16% Verbreitung fand – auch stabil bleibend nach der Pandemie.
  • Das Vermessen von Bewegung, Schlaf, Stress oder Schmerzen mit digitalen Helfern führt jeder zweite durch.
  • 17% nutzen regelmäßig eine Medikamenten-App und 16% scannen mit dem Handy ihr Rezept zur Online-Bestellung ein.
  • Ob Online-Diagnostik, Gesundheitskurse oder die Online-Arztsprechstunde: Jeder dritte zahlt diese Leistungen ohne Erstattung aus eigener Tasche.

Aufgrund der zu komplizierten Angebotslandschaft von digitalen Gesundheitslösungen
ist deren Nutzung stark vom Bildungsstand und Nettoeinkommen abhängig. So bestimmt
der soziale Status in Deutschland, ob Prävention und ärztliche Beratung bei der Bürgerschaft
auch ankommen. Beispiel Online-Arztsprechstunde: Bei Personen mit Abitur oder Studium
wurde sie schon zu 20% genutzt, bei Personen mit Hauptschule zu 11%.
Die Gesundheitspolitik lässt die Patientinnen und Patienten nicht nur mit einem
Anbieterflickenteppich allein, sie akzeptiert sogar eine Versorgungsungleichheit.

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Self Tracking Report 2022: Bürger:innen erkennen großen Nutzen von Gesundheitsdaten

„Self Tracking Report 2022: Bürger:innen erkennen großen Nutzen von Gesundheitsdaten“

Viele Bürgerinnen und Bürger erheben längst Gesundheitsdaten via Smartphones, Smartwatches und Co. Die große Mehrheit von ihnen wäre dazu bereit, diese Daten mit der medizinischen Forschung, ihrer Krankenkasse und Ärzt:innen zu teilen – so die Ergebnisse des Self Tracking Reports 2022.